Der Kölner Dom ist zweifellos eines der bekanntesten Wahrzeichen Deutschlands und eines der größten gotischen Bauwerke der Welt. Seine majestätischen Türme ragen 157 Meter in den Himmel und dominieren die Skyline der rheinischen Metropole. Doch was viele nicht wissen: Die Geschichte des Doms ist geprägt von einem außergewöhnlich langen Bauprozess, mehreren Unterbrechungen und einer bemerkenswerten Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert. In diesem Artikel beleuchten wir die faszinierende Geschichte dieses UNESCO-Weltkulturerbes und seine bedeutende Rolle in der deutschen Kultur.
Die Anfänge: Der alte Dom und die Heiligen Drei Könige
Die Geschichte des Kölner Doms beginnt nicht erst mit dem Bau des heutigen Gebäudes, sondern reicht viel weiter zurück. Bereits im 4. Jahrhundert stand an der Stelle des heutigen Doms ein frühchristliches Gotteshaus. Im 8. Jahrhundert wurde dann der sogenannte "Alte Dom" erbaut, ein romanischer Bau, der für die damalige Zeit bereits beeindruckend war.
Ein entscheidender Moment in der Geschichte des Doms war das Jahr 1164, als die Reliquien der Heiligen Drei Könige nach Köln gebracht wurden. Kaiser Friedrich Barbarossa hatte sie als Kriegsbeute aus Mailand mitgenommen und seinem Kanzler und Erzbischof von Köln, Rainald von Dassel, geschenkt. Diese Reliquien machten Köln zu einem der wichtigsten Wallfahrtsorte des Mittelalters und steigerten die Bedeutung der Stadt enorm.
Der Dreikönigsschrein
Der vergoldete Dreikönigsschrein im Kölner Dom ist der größte Reliquienschrein des Abendlandes und ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst. Er wurde zwischen 1190 und 1225 angefertigt und enthält der Überlieferung nach die Gebeine der Heiligen Drei Könige. Der Schrein ist noch heute ein wichtiger Anziehungspunkt für Pilger und Besucher.
Grundsteinlegung und frühe Bauphase (1248-1560)
Der romanische "Alte Dom" konnte die Massen an Pilgern, die die Reliquien der Heiligen Drei Könige sehen wollten, bald nicht mehr fassen. Zudem entsprach er nicht mehr dem architektonischen Zeitgeist – die Gotik hatte in Frankreich ihren Siegeszug angetreten, und immer größere und höhere Kathedralen wurden gebaut.
Am 15. August 1248 legte Erzbischof Konrad von Hochstaden den Grundstein für den neuen Dom. Als Vorbild dienten französische Kathedralen wie Amiens und Beauvais. Der Baumeister Gerhard, dessen Nachname nicht überliefert ist, entwarf einen ambitionierten Plan für ein fünfschiffiges Langhaus mit Doppelturmfassade und einem Chor mit Kapellenkranz.
Der Bau begann im Osten mit dem Chor, der als eigenständiger Raum konzipiert wurde und bereits genutzt werden konnte, während der Rest der Kathedrale noch gebaut wurde. Diese Bauweise war typisch für große Kirchenprojekte des Mittelalters.
1322 wurde der Chor geweiht, ein wichtiger Meilenstein in der Baugeschichte. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch erst ein kleiner Teil des geplanten Doms fertiggestellt. In den folgenden Jahrhunderten gingen die Bauarbeiten langsam weiter, wurden aber immer wieder durch Geldmangel, Kriege und nachlassendes Interesse behindert.
Mitte des 16. Jahrhunderts, etwa 300 Jahre nach der Grundsteinlegung, kam der Bau schließlich zum Erliegen. Die Südseite des Langhauses war teilweise errichtet, der Nordturm hatte eine Höhe von etwa 56 Metern erreicht, und auf ihm war ein Kran installiert, der für lange Zeit zum Stadtbild Kölns gehören sollte.
Die lange Bauunterbrechung (1560-1842)
Fast 300 Jahre lang ruhte der Bau des Kölner Doms. In dieser Zeit verfiel das unvollendete Gebäude zusehends. Die Reformation, der Dreißigjährige Krieg und schließlich die Französische Revolution und die Besetzung des Rheinlandes durch französische Truppen trugen dazu bei, dass der Dom in einen desolaten Zustand geriet.
Während der französischen Besatzung (1794-1814) wurde der Dom sogar als Lagerhaus und Pferdestall genutzt. Die Reliquien der Heiligen Drei Könige wurden versteckt, um sie vor Plünderungen zu schützen.
Erst im frühen 19. Jahrhundert erwachte das Interesse am Kölner Dom wieder. Die romantische Bewegung in Deutschland entdeckte die Gotik als "deutschen" Baustil wieder (obwohl sie eigentlich in Frankreich entstanden war) und sah in dem unvollendeten Dom ein Symbol für die fragmentierte deutsche Nation.
Sulpiz Boisserée und die Domfaszination
Eine Schlüsselfigur für die Wiederentdeckung des Kölner Doms war Sulpiz Boisserée. Der Kunstsammler und Publizist entdeckte 1814 die originalen mittelalterlichen Baupläne für die Westfassade wieder und veröffentlichte detaillierte Zeichnungen des geplanten Doms. Seine Publikationen weckten in ganz Deutschland Begeisterung für den Weiterbau.
Vollendung und nationaler Symbolcharakter (1842-1880)
Am 4. September 1842 legte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen den Grundstein für den Weiterbau des Doms. Der preußische König erkannte das Potenzial des Projekts als Symbol für die deutsche Einheit (die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verwirklicht war) und als Zeichen der Versöhnung zwischen Protestanten und Katholiken.
Der Weiterbau wurde zu einem nationalen Projekt, das über konfessionelle Grenzen hinweg Unterstützung fand. In ganz Deutschland wurden Dombauvereine gegründet, die Geld für das ambitionierte Vorhaben sammelten.
Die Bauleiter Ernst Friedrich Zwirner und später Richard Voigtel orientierten sich bei der Vollendung des Doms an den mittelalterlichen Plänen, integrierten aber auch zeitgenössische Bautechniken und Materialien. Statt Holzgerüsten wurden beispielsweise Stahlkonstruktionen verwendet, und an die Stelle von Hanfseilen traten Stahlseile für den Transport schwerer Lasten.
Die industrielle Revolution ermöglichte es, den Dom in vergleichsweise kurzer Zeit zu vollenden. Während der ursprüngliche Bau nach 300 Jahren noch nicht zur Hälfte fertig war, dauerte die Fertigstellung im 19. Jahrhundert nur 38 Jahre.
Am 15. Oktober 1880 wurde der vollendete Dom mit einem großen Festakt eingeweiht, in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm I. und zahlreichen deutschen Fürsten. Die Fertigstellung fiel in die Zeit kurz nach der deutschen Reichsgründung von 1871 und wurde als nationales Ereignis gefeiert.
Beeindruckende Zahlen zum Kölner Dom
- Bauzeit: 632 Jahre (1248-1880)
- Höhe der Türme: 157 Meter
- Grundfläche: 7.914 Quadratmeter
- Fassungsvermögen: ca. 20.000 Menschen
- Gewicht der Petersglocke ("Dicker Pitter"): 24 Tonnen
- Anzahl der Stufen zum Südturm: 533
- Anzahl der Fenster: 128
- Fläche der Glasfenster: 10.000 Quadratmeter
Der Dom in Kriegs- und Friedenszeiten (20. Jahrhundert)
Der Kölner Dom überstand den Ersten Weltkrieg unbeschadet, wurde aber im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Während die Stadt Köln durch alliierte Luftangriffe zu 95% zerstört wurde, blieb der Dom stehen – allerdings mit erheblichen Schäden. Er wurde von 70 Bomben getroffen, die Gewölbe im nördlichen Seitenschiff stürzten ein, und zahlreiche Fenster wurden zerstört.
Es wird oft behauptet, dass die alliierten Piloten den Dom bewusst verschonten und ihn als Orientierungspunkt nutzten. Dies ist jedoch historisch nicht belegt – vielmehr hat die massive Bauweise des Doms dazu beigetragen, dass er den Krieg überstanden hat.
Nach dem Krieg begann sofort der Wiederaufbau. Die Reparaturarbeiten dauerten bis in die 1950er Jahre. Viele der wertvollen mittelalterlichen Fenster waren zuvor ausgebaut und in Sicherheit gebracht worden und konnten nach dem Krieg wieder eingesetzt werden.
In den folgenden Jahrzehnten wurde der Dom zu einem der meistbesuchten Baudenkmäler Deutschlands. 1996 wurde er in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen, was seine außergewöhnliche universelle Bedeutung unterstreicht.
Der Dom als Baustelle
Der Kölner Dom ist in gewisser Weise nie "fertig" – seit seiner offiziellen Vollendung 1880 sind ständig Restaurierungsarbeiten nötig. Die Dombauhütte, die bereits im Mittelalter gegründet wurde, existiert bis heute und beschäftigt spezialisierte Handwerker, die kontinuierlich am Erhalt des Bauwerks arbeiten. Jährlich werden etwa 10 Millionen Euro für die Instandhaltung ausgegeben.
Architektonische Besonderheiten und Kunstschätze
Der Kölner Dom ist nicht nur wegen seiner imposanten Ausmaße und langen Baugeschichte bemerkenswert, sondern auch wegen seiner architektonischen Merkmale und der Kunstschätze, die er beherbergt.
Architektur
Der Dom ist ein Meisterwerk der Hochgotik und folgt dem Ideal der französischen Kathedralgotik. Mit seinen fünf Schiffen, dem Querhaus und dem Chorumgang mit Kapellenkranz entspricht er dem klassischen Grundriss einer gotischen Kathedrale.
Besonders beeindruckend ist das Strebewerk, das die enormen seitlichen Schubkräfte des hohen Mittelschiffs aufnimmt. Diese filigrane "Skelettbauweise" ist typisch für die Gotik und ermöglichte die für damalige Verhältnisse unglaubliche Höhe des Bauwerks.
Die Westfassade mit ihren beiden 157 Meter hohen Türmen ist die größte Kirchenfassade der Welt. Sie ist reich mit Skulpturen geschmückt und wird durch ein großes Rosenfenster und das Portal mit drei Eingangsbögen gegliedert.
Kunstschätze im Dom
Der Dom beherbergt zahlreiche bedeutende Kunstwerke aus verschiedenen Epochen:
- Der Dreikönigsschrein (1190-1225): Das bedeutendste Kunstwerk im Dom, ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst.
- Das Gero-Kreuz (um 970): Die älteste erhaltene monumentale Skulptur des gekreuzigten Christus nördlich der Alpen.
- Die Mailänder Madonna (um 1290): Eine elegante Skulptur aus Marmor, die Maria mit dem Kind darstellt.
- Das Dombild von Stephan Lochner (1442): Ein Triptychon mit der Anbetung der Könige, eines der wichtigsten Werke der Kölner Malerschule.
- Die Glasfenster: Von mittelalterlichen Meisterwerken bis hin zu modernen Fenstern von Gerhard Richter (2007) reicht die Spanne der Fensterkunst im Dom.
Die Domglocken
Das Geläut des Kölner Doms ist eines der bedeutendsten in Europa. Die bekannteste Glocke ist die "Petersglocke" (auch "Dicker Pitter" genannt), die 1923 gegossen wurde und mit ihren 24 Tonnen zu den schwersten freischwingenden Glocken der Welt gehört. Ihr tiefer Klang (in Tonlage d0) ist in weiten Teilen Kölns zu hören und wird nur zu besonderen Anlässen (Hochfeste, Bischofsweihen, Begräbnisse bedeutender Persönlichkeiten) geläutet.
Der Dom heute: Spirituelles Zentrum und Touristenattraktion
Der Kölner Dom erfüllt heute eine doppelte Funktion: Er ist sowohl ein aktives spirituelles Zentrum als auch eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Deutschlands.
Religiöse Bedeutung
Als Kathedrale des Erzbistums Köln ist der Dom Sitz des Erzbischofs und Ort wichtiger liturgischer Feiern. Täglich finden mehrere Gottesdienste statt, und das reichhaltige musikalische Programm mit dem Domchor und der großen Orgel setzt die jahrhundertealte Tradition der Kirchenmusik fort.
Auch als Pilgerort hat der Dom nicht an Bedeutung verloren. Die Reliquien der Heiligen Drei Könige ziehen nach wie vor Gläubige aus aller Welt an, besonders am 6. Januar, dem Fest der Heiligen Drei Könige.
Touristische Bedeutung
Mit jährlich etwa sechs Millionen Besuchern gehört der Kölner Dom zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. Die Besteigung der Türme, die Besichtigung der Schatzkammer und geführte Touren durch das Bauwerk sind beliebte Aktivitäten für Touristen.
Der Dom prägt nicht nur physisch die Skyline Kölns, sondern ist auch zu einem Symbol der Stadt und zu einem wichtigen wirtschaftlichen Faktor geworden. Die "Kölner Domspitzen" sind als Logo und Markenzeichen weit über die Grenzen Kölns hinaus bekannt.
Besuchertipps für den Kölner Dom
- Turmbesteigung: Die 533 Stufen zum Südturm lohnen sich für den atemberaubenden Blick über Köln (Eintritt: ca. 6 €).
- Domschatzkammer: Hier können Sie den Dreikönigsschrein und weitere Kunstschätze aus über tausend Jahren bewundern (Eintritt: ca. 6 €).
- Führungen: Öffentliche Führungen werden mehrmals täglich angeboten und bieten faszinierende Einblicke in die Geschichte und Architektur (ca. 8 €).
- Beste Besuchszeit: Früher Morgen oder spätnachmittags, wenn weniger Touristen unterwegs sind.
Fazit: Ein Symbol für Beharrlichkeit und kulturelle Kontinuität
Die Geschichte des Kölner Doms ist ein beeindruckendes Zeugnis menschlicher Ausdauer und Vision. Ein Bauprojekt, das über 632 Jahre hinweg zahlreiche politische Umwälzungen, Kriege und kulturelle Wandlungen überdauert hat, ist nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch ein Symbol für Beharrlichkeit und den langen Atem der Geschichte.
Der Dom spiegelt in seiner Baugeschichte die wechselvolle Geschichte Deutschlands wider: vom mittelalterlichen Heiligen Römischen Reich über die Romantik und nationale Einigungsbewegung des 19. Jahrhunderts bis hin zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und dem anschließenden Wiederaufbau.
Heute steht der Kölner Dom als UNESCO-Weltkulturerbe für ein gemeinsames europäisches Erbe und erinnert uns daran, dass große kulturelle Leistungen oft das Werk vieler Generationen sind.
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